Synapsen Pogo - LESEPROBE 2
☆ Seite 240-244 ☆
Wir waren eine Straße von Sophons Villa entfernt.
Wie es schien, blieben die Bewohner Sonnenthals
abends nicht so lange auf, alles war stockdunkel. Ein
einziges, schwaches Licht brannte in einem kleinen
Fenster unterhalb eines Dachgiebels. Im Gebüsch raschelte
etwas, ich erschrak.
„Gibt’s hier Tiere?“
„Nein, Metzler, dafür gibt’s den Zoo. Was soll die
blöde Frage?“
„Hier war was.“
„Scheißt du dir jetzt schon in die Hose, weil da irgendein
Vogel rumpickt?“
„Ich dachte, Vögel schlafen nachts. Oder nicht?“
„Was weiß ich denn. Ist mir auch scheißegal, was
Vögel nachts machen, vielleicht spielen sie Skat. Können
wir uns jetzt mal langsam auf die Sache hier konzentrieren?
War schließlich deine Idee.“
„Ist ja gut, ich wollte nur, dass du etwas entkrampfst.“
„Ganz toll, vielen Dank.“
Wir kamen zu Sophons Villa, Widderweg 16. Man
sah nicht viel, aber da wir das Gelände etwas kannten,
hatten wir einen gewissen Überblick. Das Eingangsportal
war zum Drüberklettern eindeutig zu hoch und
zu gefährlich. Die gusseisernen Stäbe liefen am Ende
spitz zu. Außerdem gab es mit Sicherheit irgendwo
eine Kamera.
Wir orientierten uns links vom Eingangsportal. Hier
schloss eine Mauer an, gar nicht mal so hoch. Das Problem
war, dass der Garten hinter der Mauer zu dicht
bepflanzt war. Ich erinnerte mich, dass ich, als wir
vor Kurzem zum ersten Mal die Einfahrt hochgefahren
waren, jede Menge Büsche und Sträucher wahrgenommen
hatte. Das war nicht nur Ziergehölz, nein,
die Gefahr war einfach zu groß, völlig verkratzt und
aufgeschürft aus dem Grün zu treten. Wir gingen weiter
an der Mauer entlang. Die Straße fiel etwas ab, aber
da die Mauer das Niveau hielt, wurde sie zwangsläufig
höher. Da kam man nicht ohne Weiteres rüber, das
ging also auch nicht. Nach weiteren 50 Metern begann
das nächste Grundstück. Dieses hätten wir leicht entern
können, eine hüfthohe Hecke trennte es von der
Straße. Ich holte die Taschenlampe raus und leuchtete
über die Hecke. Schemenhaft sah man einen Zaun, der
hinter vereinzelten Scheinzypressen die Grenze zu Sophons
Grundstück markierte. Er bestand aus Holz und
war ganz schön hoch. Das konnte man notfalls schaffen,
aber bevor wir uns dafür entschieden, wollten wir
noch die Rückseite des Grundstücks inspizieren. Vielleicht
war es einfacher, von hinten in den Garten zu kommen. Da wir vier oder fünf Grundstücke umrunden
mussten, artete das Ganze in einem kleinen Spaziergang
aus. Wir sahen keinen Menschen, bis auf einen
älteren Herrn, der mit seinem Hund eine Runde drehte
und uns auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig entgegenkam.
Vorsichtshalber ließ ich die Taschenlampe
verschwinden.
Endlich bogen wir in die Parallelstraße ein. Sophon
besaß das Eckgrundstück. Dort angekommen sahen
wir, dass die Rückseite des Gartens mit einem Drahtzaun
und einer Hecke quasi doppelt gesichert war. Wir
gingen ein paar Meter weiter und sahen uns um. Die
Hecke schien entlang des gesamten Zauns zu verlaufen,
die Villa befand sich ein ganzes Stück davon entfernt.
Es sah also nicht nach Zuschauern aus. Wir beschlossen,
dass Remmi mich auf seine Schultern nehmen würde,
damit ich einen Blick über die Hecke werfen konnte.
Er ging in die Hocke, ich stieg auf. Nur mühsam kam
er hoch, hatte wohl auch schon länger kein Sport mehr
gemacht, der Gute.
„Schön die Knie durchdrücken.“
„Halt’s Maul.“
„Gib mal das Brecheisen.“
Er gab es mir und ich teilte mit meinem verlängerten
Arm die Äste. Alles klar, ich erkannte den viktorianischen
Baustil sofort wieder. Remmi ließ mich runter.
„Ok, nichts wie rein, über die Wiese zu den Garagen
rüber, aufmachen und nachsehen, ob die Kiste da ist,
fertig.“
„Ach, so einfach ist das? Dann kann ich ja hier warten.“
„Mann, bitte nicht schon wieder diese Diskussion.“
„Dann hör auf, so blöd rumzuquatschen und gib mir
mal das Eisen.“
Remmi steckte das Brecheisen durch zwei Gamaschen
des Drahtzauns und drehte es. Der Zaun verzog sich
auf mehr als zwei Metern, aber irgendwann knackte
es und die Drähte waren gerissen. Er schob das Eisen
weiter unten wieder zwischen den Zaun und drehte es
erneut so lange, bis der Draht nachgab. Das ganze Spiel
wiederholte er noch zweimal, dann klaffte ein beachtliches
Loch im Zaun. Für einen Kneipier war er ganz
schön geschickt. Wir bogen die Zaunhälften etwas auseinander
und fingen an, die Hecke mit dem Brecheisen
zu bearbeiten. Sie war etwas hartnäckiger, aber nach
einiger Zeit hatten wir eine kleine Schneise geschlagen.
Der Bürgersteig war übersät mit kleinen Ästen und
Blättern.
Bei Tageslicht würde jeder sofort sehen, was hier los
war. Ich kletterte als Erster durch die Öffnung im Zaun
und ließ mich mit dem Rücken gegen die Hecke fallen.
Ich kam nicht ganz durch und hing ungefähr in der
Mitte fest. Ich hielt Remmi meine Hände hin, aber anstatt
mich wieder rauszuziehen drückte er seine Arme
mit aller Kraft gegen meinen Brustkorb. Ich erschrak,
Äste knirschten und brachen, fuhren mir durch Gesicht
und Haare. Dann kippte ich hintüber und landete mit
dem Rücken auf der Wiese von Sophons Grundstück.
Remmis Methode war nicht gerade zimperlich, aber es
war geschafft.
Ich stand auf und checkte die Lage. Nur ein paar
Kratzer, sonst nichts. Remmi reichte mir die Tasche
durch die Hecke. Dann war er an der Reihe. Mit dem
Rücken voran warf er sich in die Hecke, blieb aber
ebenfalls stecken. Er brauchte mehr Platz in der Breite,
weniger in der Höhe.
Ich schob meine Arme rechts und links unter seinen
Achseln durch, verschloss die Hände vor seiner Brust
und warf mich mit aller Kraft nach hinten. Wieder landete
ich auf dem Rücken, Remmi knallte auf meine
Brust und gab mir mit dem Hinterkopf einen Kinnhaken.
Mir blieb kurz die Luft weg, ich japste und rieb
mir das Kinn.
Remmi: „Alles klar, Metzler?“
„Geht schon, ähem, alles bestens“, hüstelte ich.
Wir rappelten uns langsam hoch. Remmi öffnete die
Tasche und reichte mir eine Maske. Wir setzten sie auf
und sahen uns durch die Schlitze an. Remmi wirkte
verblüffend authentisch.
„Du siehst aus wie ein echter Einbrecher.“
„Wir sind echte Einbrecher, du Trottel.“